Darmstadt wird besitzbar und bespielbar

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Gestern war mein Antrag Darmstadt besitzbar und bespielbar machen endlich Thema in der Stadtverordnetenversammlung. Meine Rede findet sich online in der Aufzeichnung des Live-Streams, sowie hier:

Es war eine dunkle und stürmische Nacht,

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen,

in der sich der SPD-Ortsverein Waldkolonie/Weststadt im Alten Schalthaus über das Brünnchen sinniert hat. Das Brünnchen? Ein kleiner Platz, zentral gelegen zwischen Metzger, Friseur und Restaurants, der zum Verweilen einladen könnte. Mit einem kleinen Brunnen, etwas Grün und einem Bücherschrank, dem man den nächsten Schmöker zum verweilen und lesen entnehmen kann.

Aber, was fehlt zum Verweilen? Sie Ahnen es: Sitzgelegenheiten.

Schnell waren mögliche Ideen gefunden, erste Genoss*innen wollten Geld dazugeben. Aber die Frage stand im Raum: es muss doch viele solcher Kleinode in Darmstadt geben, die mit Sitzgelegenheiten eine noch bessere Aufenthaltsqualität erhalten könnten, oder überhaupt erstmal die Gelegenheit zum Aufenthalt – und wir so unsere Stadt in allen Stadtteilen noch lebenswerter, noch einladender gestalten können.

Wir denken hier auch an Menschen mit schmaleren Geldbeuteln – denn nicht jede / jeder hat die finanziellen Möglichkeiten oder möchte sich dazu in den Außenbereich eines Cafés setzen. Zu dem Thema gehören mit Blick auf die Hitzesommer, die da kommen, natürlich auch Begrünung und Beschattung. Und Spielelementen für die noch heranwachsenden Darmstädter*innen – damit Kinder auch in der Stadt Freiräume für kleine Abenteuer erhalten, wo aktuell zu viel Beton vorherrscht.

Für uns steht die einfache Formel fest: die Menschen, die sich in einem Quartier auskennen, sind die, die dort wohnen. Und deswegen beantragen wir hier heute, alle Darmstädter*innen bei diesem Prozess zu beteiligen.

Damit das funktioniert, schlagen wir vor, sowohl über die digitale Beteiligungsplattform da-bei.darmstadt.de zu beteiligen, die uns bei der Benennung der Fritz-Bauer-Straße und anderer zuletzt sehr gute Dienste geleistet hat. So können sich auch Menschen beteiligen, die von klassischen Beteiligungsformaten vor Ort nicht erreicht werden können und die sich sonst selten an politischen Prozessen beteiligen. Als auch vor Ort, mindestens je Stadtteil – neun davon hat Darmstadt, das wissen Sie – Beteiligungsformate durchzuführen, um auch die weniger digital affinen Menschen – zum Beispiel Kinder zu erreichen.

Die Koalition schlägt vor, dies in bestehenden Formaten wie Stadtviertelrunden zu machen. Eine gute Idee, das widerspricht unserem Antrag auch nicht.

Wir schlagen vor, hier systematisch vorgehen und haben uns dafür von einem mehrfach prämierten Modell inspirieren lassen, welches gar nicht so weit weg erdacht wurde: in Griesheim. Dem Griesheimer Modell, so heißt es, folgend beantragen wir, im Prozess wichtige Treffpunkte von Menschen zu identifizieren, um im zweiten Schritt wichtige Wegstrecken junger und älterer Heiner*innen herauszuarbeiten, an denen sich Senior*innen vielleicht aktuell die Frage stellen: wo ist nur die nächste Bank, damit ich mal durchschnaufen kann? Denn bei Sitzgelegenheiten geht es auch um die Barrierefreiheit – ein Punkt, wo Darmstadt wie viele Kommunen noch besser werden kann und muss, liebe Kolleg*innen.

Zum Antrag der Koalition: wir sind mit diesem in Inhalt und auch Form nicht einverstanden. Er wird als „Ersetzungsantrag“ bezeichnet, unsere Geschäftsordnung erlaubt jedoch lediglich „Änderungsanträge“. Jetzt könnte man meinen, da hat sich wer verschrieben – passiert. Änderungsanträge werden definiert als solche, die die „Einschränkung oder Erweiterung eines zur Beratung stehenden Gegenstandes bezwecken, ohne seinen wesentlichen Inhalt aufzugeben“. Das ist bei diesem Antrag – bei diesem Ersetzungsantrag – jedoch der Fall, liebe Kolleginnen!

Ziel der Koalition ist mit diesem Antrag, so steht es drin: „eine unkomplizierte und zügige Umsetzung.“. Ja, Beteiligung ist kompliziert – und so wird die Anzahl und der Ort der Beteiligungsformate in Ihrem so genannten Ersetzungsantrag auch nicht verbindlich definiert. Eine wie von uns gewünscht systematische Vorgehensweise, die Analyse von Wegstrecken zu Schaffung von Barrierefreiheit auch für ältere Darmstädter*innen, wird komplett aufgegeben. Eine digitale Beteiligung ist von Ihnen ebenfalls nicht verbindlich vorgesehen, obwohl wir eine erprobte Plattform dafür jetzt online haben. Auch komplett aufgegeben, nicht geändert oder abgeschwächt, wird die Behandlung des Themas „hostile architecture“ aus Punkt 2 unseres Antrags.

Damit werden wie eben aufgeführt nicht nur „wesentliche Inhalte unseres Antrags aufgegeben“, weswegen ihr Antrag meines Erachtens nicht GO-konform ist – es ist kein Änderungsantrag und Ersetzungsanträge sind nicht vorgesehen – und ich möchte den Ältestenrat bitten, die Geschäftsordnung an dieser Stelle wieder herzustellen. Sie suggerieren Sie in ihrem Antrag auch, der Umbau Darmstadts zu einer „bespielbaren und besitzbaren Stadt“ sei irgendwie „unkompliziert und zügig“ machbar.

Liebe Stadtverordnete: der Antrag der Koalition wird auch inhaltlich dem Thema nicht gerecht! Wenn wir nicht nur ein paar Bänke in Darmstadt aufstellen wollen, sondern Darmstadt wirklich zu einer „bespielbaren und besitzbaren Stadt“ machen wollen,
damit einen Teil der öffentlichen Infrastruktur in ganz Darmstadt auf links zu drehen,
dann geht das nicht „unkompliziert und zügig“.
Dann geht das nicht hoppla-hopp. Dies zu suggerieren, liebe Koalition, ist absolut unseriös.

Ich möchte Sie zum Schluss um Zustimmung zu dem von uns gestellten Antrag bitten, in der Hoffnung, dass darüber abgestimmt werden kann, damit dieses Thema mit der gebotenen Sorgfalt und Tiefe angehen können, damit wir es nur einmal machen, aber dafür einmal richtig.

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