Die Bauverein-Profite

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Nach der Verkündung von unserem Oberbürgermeister Hanno Benz, von der Strategie “Bauen, bauen, bauen” abzurücken, ist auf Facebook eine Diskussion entbrannt, ob mit dieser Abkehr nicht die Mieten weiter in die Höhe getrieben werden.

Als Einleitung kurz noch eine Einordnung, die ich auch auf Facebook gepostet hatte:

Jochen Partsch hat es in der Tat als asozial bezeichnet, wenn die Opposition in der Vergangenheit eine vernünftige Debatte über das Thema „Wachstum“ gefordert hat.

Was er nie beantworten konnte: bis wohin sollen wir denn wachsen? Wir haben noch die verbleibenden Kasernen zum Wohnungsbau. Deutlich weniger als 10.000 Wohnungen lassen sich in der bestehenden Siedlungsfläche per Nachverdichtung schaffen – oft auf Kosten von Stadtgrün und damit Lebensqualität.

Und wohin soll dann gewachsen werden? Den Westwald roden? Für manche von Bündnis 90 ist der ja eh nichts mehr wert, weil es ihm gesundheitlich nicht so geht (freundlich ausgedrückt). Wie gesagt, die Antwort blieb er schuldig.

Zum Vergleich: 70.000 Menschen pendeln nach Darmstadt ein. Bestimmt will davon nicht jeder hier wohnen. Einige wollen es sicher, können sich von ihrer Arbeit hier aber keine Wohnung leisten. Nichtmal in den neu gebauten Wohnungen (des Bauvereins!) auf Lincoln. Das ist das Asoziale. Und „mehr Wohnungen“ haben bisher nicht geholfen.

Was helfen würde, wäre zum Beispiel, wenn der Bauverein keine Profite (auf Kosten der Mieter) mehr an die Stadt abführen muss – und die Mieten reduzieren würde. Die Stadt mehr geförderten Wohnraum anbietet. Oder wenn der Bauverein endlich Solar auf die Dächer bringt, um den Mietparteien günstigen Strom anzubieten (wird viel zu selten drüber gesprochen).

Es gibt Möglichkeiten. Grün in und außerhalb der Stadt dafür draufgehen zu lassen, ist davon die, die allen, die in Darmstadt leben, Lebensqualität raubt. Das klingt nicht sozial.

Schauen wir uns das doch mal im Detail an:

Ausschüttungen des Bauvereins

Insgesamt macht das im Zeitraum von 2013 bis einschließlich 2022: 127,5 Millionen € Ausschüttungen vom Bauverein. Den Grünen in Darmstadt ist dabei wichtig, zu sagen, dass die Ausschüttungen nicht an die Stadt Darmstadt gehen – sondern an die Stadtwirtschaft (den Querverbund der HEAG). Warum, ist mir nicht klar.

Denn wer zahlt das am Ende – so oder so? Natürlich die Mietparteien. Und wo fehlt das Geld am Ende? Beim Bauverein. Sowohl bei Modernisierungen, die davon (mit)finanziert werden können, schlägt der bauverein deswegen zusätzlich kräftig zu – immer wieder berichten Menschen in den sozialen Medien und in der Presse von anlasslosen Mieterhöhungen. Dabei hat der bauverein als großer Immoblienbesitzer auf dem Markt eine Leitfunktion: niedrigere bauverein-Mieten sorgen für einen günstigeren Mietspiegel. Wenn der bauverein die Mieten anzieht, ziehen andere hingegen nach und so steigen die Mieten für alle.

Zudem sind im Jahr 2014 über 22,4 Millionen € von der Bauverein AG für den Kauf des Wohnungsbestandes der IDA (Eigenbetrieb Immobilienmanagement) direkt an die Stadt Darmstadt geflossen (Details sind der Magistratsvorlage entnehmbar; ein Teil davon waren Kreditübernahmen). Dies erhöht die Summe von 127,5 auf 149,9 Millionen €.

Dem bauverein-Konzern gehören Stand 2022 insgesamt 16.955 Wohnungen (Geschäftsbericht 2022, Seite 34). Der Wohnungsbestand schwankt natürlich mit der Zeit. Auf diese 16.955 Wohnung gleich verteilt, haben jedoch alle bauverein-Mieter*innen je Wohnung 7.519 € für den Zeitraum 2013 bis 2022 gezahlt, den der bauverein an die Stadt Darmstadt ausgeschüttet hat.

Geförderter Wohnraum in Darmstadt

Auf eine Kleine Anfrage der Stadtv. Neumann hat der Magistrat geantwortet, wie viel sozial geförderter Wohnraum in Darmstadt existert:

Die Anzahl der Sozialwohnungen ist demnach in der Zeit von 2010 bis 2021 um 13% gesunken – während Darmstadt von 144.000 auf 162.000 Einwohner*innen – also um über 12% – gewachsen ist. Seit Juni 2011 regieren die Grünen in Darmstadt mit Jochen Partsch als OB (bis Juni 2023).

Steigerung der Mieten

In einem Gutachten des Landes Hessen zur Mietpreisbremse sind die Angebotsmieten verschiedener Städte – so auch Darmstadt – für den Zeitraum 2009 bis 2014 ablesbar. Darmstadt lag 2010 hier bei 7,98 € – und liegt im Jahr 2022 nach einem Bericht der FR bei 13 €. Das sind über 60% Steigerung in 12 Jahren.

Auch bei den Durchschnittsmieten sieht es nicht besser aus (aus der Hessenschau):

In Darmstadt ist die Durchschnittsmiete von 8,89 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2018 sogar auf 10,44 Euro im Jahr 2022 gestiegen. Das ist ein Anstieg von gut 17 Prozent. Damit liegt der Wert in Darmstadt höher als in Frankfurt.

Wo befindet sich Darmstadt damit im bundesweiten Vergleich? Die Zeit hat die Antwort:

Derzeit liegen die Preise hier 38 Prozent über der mittleren Miete in Deutschland (8,85 Euro).

Und die Lösung?

Bauen, bauen, bauen hat zumindest bisher nicht funktioniert, um für günstige Mieten in Darmstadt zu sorgen. Das steht fest. Auf die Mathematik davon bin ich oben schon eingegangen (70.000 Pendler*innen und wie viele Wohnungen noch gebaut werden können, ohne den den uns umgebenen Wald zu roden).

Schauen wir uns doch mal an, was bisher so gebaut wurde. Wer heute (19.10.2024) beim bauverein nach Mietwohnungen in Darmstadt sucht, erhält 15 Ergebnisse – zwei davon sind auf Lincoln frei. Also die neuen Wohnungen, die die Mieten wieder günstig machen sollen. Die Mietpreise betragen hier 14,06 € und 13,28 € kalt. Natürlich kann man sich fragen, warum die bauverein “Großzügige” Wohnungen mit “großzügiger Terrasse” baut, wo doch günstige Wohnungen für Familien/Singles gebraucht werden… Mit diesen Preisen heizt die bauverein AG den Markt auf jeden Fall eher an, als das sie für günstige Mieten sorgt.

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