Unter diesem Motto wurde heute den Opfern der rassistischen Morde von Hanau gedacht. Nicht nur in Darmstadt, sondern in über 100 Städten in der ganzen Republik. Hanau ist heute – zwei Jahre nach der unvorstellbaren Tat – überall.
Mahnwache des Bündnis gegen Rechts
Die Mahnwache des Bündnis gegen Rechts Darmstadt begann um 15 Uhr auf dem Luisenplatz. Uns ging es zunächst es um das Gedenken, um die Erinnerung an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Um Trauer und Wut. Um die Verursacher des rassistischen Hasses. Wir hörten zwei bewegende, aufgezeichnete Reden der Familien der Opfer (Çetin Gültekin und Serpil Unvar). Vor Ort redeten Vertreter*innen der DIDF (Föderation Demokratischer Arbeitervereine) und dem Bündnis gegen Rechts. Ich durfte moderieren.
Es ging auch darum, das Hanau kein Einzelfall war: die Amadeu Antonio Stiftung führt mindestens 214 Todesopfer rechter Gewalt seit dem Jahr 1990 auf – und weitere Verdachtsfälle. Hanau war gesellschaftlich betrachtet keine Zäsur, sondern die traurige Kontinuität rechtsextremer Taten in Deutschland – die unbedingt durchbrochen werden muss. Der Nationalismus muss raus aus den Köpfen.
Die Liste der Todesopfer rechter Gewalt hat einen Eintrag für Darmstadt: Ali Bayram, der am 18.02. (gestern) vor 28 Jahren in der Nähe des Haardtrings rassistisch beschimpft und dann kaltblütig erschossen wurde. Das rassistische Motiv der Tat wird von den Behörden bis heute nicht anerkannt. Auch dies ist kein Einzelfall, sondern ein Symptom von institutionellem Rassismus – wenn Menschen in staatlichen Strukturen Rassismus nicht wahrnehmen, leugnen, verharmlosen oder selbst betreiben.
Im Anschluss lief die Demo zum Mathildenplatz, wo es um die Veränderung ging, welche aus der Erinnerung erwachsen muss. Nicht nur in Sachen antirassistischer Arbeit. Es sind noch viele wichtigen Fragen der Angehörigen offen. Verfehlungen in Polizei und Behörden ungeklärt, von der niemand ernsthaft behaupten kann, dass sie keine Leben gekostet haben (mehr dazu hier). Rassistische Strukturen, die abgeschafft werden müssen (das mittlerweile aufgelöste SEK Frankfurt, dessen Beamte auch in Hanau waren, kann nur ein Anfang sein). Verhaltensweisen wie Racial Profiling, die beendet werden müssen. Verfehlungen der Politik, die es den Überlebenden schwierig machte und dann zynisch “Beim nächsten Mal machen wir es besser” sagte. Dies muss Konsequenzen haben. Alle Menschen müssen sich unabhängig von ihrer Hautfarbe auf unseren Straßen sicher fühlen. Und weiße Menschen sollen sich ihrer Privilegien bewusst machen (Buchhinweis). Darum ging es in den Reden der Interventionistischen Linken, der ver.di Jugend, der Seebrücke, von NAV-DEM, von Fridays for Future, vom Feministischen Streik, sowie von Community for all.
Mahnwache der Stadt Darmstadt
Um 19 Uhr fand die Veranstaltung der Stadt Darmstadt auf dem Karolinenplatz statt, bei der die Gesichter der Opfer der rassistischen Morde ans Landesmuseum gestrahlt wurden – so, wie sie auch auf dem Wandgemälde des “Kollektivs ohne Namen” unter der Friedensbrücke in Frankfurt zu sehen sind.
Hier redete der Oberbürgermeister, Vertreter*innen des Ausländerbeirates und der Sinti & Roma. Weitere Organisationen aus dem kirchlichen und studentischen Umfeld, sowie der Verein “Gegen Vergessen – Für Demokratie”, hatten ebenso zu dieser Veranstaltung aufgerufen. Zum Abschluss verlas Stadtverordnetenvorsteher Yücel Akdeniz zunächst eine Rede der Interessengemeinschaft Migrantenselbstorganisationen Darmstadt und wendete sich dann noch sehr persönlich an die Versammlung.
Siamo tutti antifascisti
Auch hier waren sich alle einig: Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung für unsere Demokratie und muss bekämpft werden. Was diese Aufzählung an Vereinigungen und Initiativen zeigt: in Darmstadt gibt es eine breite Front gegen Rassismus und Faschismus. An beiden Mahnwachen haben sich trotz der nach wie vor hohen Inzidenzen jeweils über 200 Personen mit Abstand und Mund-Nasen-Schutz beteiligt.