Antikriegstag: kein Platz für Rassismus!

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Ich wurde gebeten, für den Antikriegstag eine Rede zum Thema Kolonialismus & Rassismus zu halten. Hier ist sie.

Was kann man hier, drei Tage nachdem auf der Treppe des Bundestagsgebäudes die Reichskriegsflagge gehisst worden ist, sagen?

Hinter mir steht Otto von Bismarck, Vertreter dieser Flagge. Ihm zu Ehren wurden hunderte Türme, Säulen und Statuen errichtet. Nicht nur hier in Deutschland, sondern – sehr zynisch – auch in ehemaligen so genannten Deutschen Schutzgebieten – also Kolonien.

Diese Kolonien, beziehungsweise die Kolonialisierung insgesamt, hat er maßgeblich mit verantwortet. Dafür rief er zwei „Berliner Kongresse“ ein. Der erste, 1878, sollte nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs das entstandene Machtvakuum klären, klärte im Kontext der Kolonialisierung aber vor allem die Aufteilung Nordafrikas (Tunesien, Tripolis (heutige Lybien), Ägypten) auf die anwesenden Nationen, in dem Fall Frankreich.

Damit wurde ein Prozess in Gang gesetzt, den Geschichtsbücher absolut euphemistisch „Wettlauf um Afrika“ nennen. Waren vor der Berliner Konferenz vor allem Menschen in den Küstenregionen und Südafrika unterjocht, konnten bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges nur Äthiopien und Liberia ihre Unabhängigkeit bewahren.

Bismarck selbst erklärte in den Jahren darauf Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Neuguinea zu deutschen Kolonien.

Um entstandene Konflikte auf dem Afrikanischen Kontinent aus seiner Sicht zu lösen, versammelte Bismark die europäische Elite zum Jahreswechsel 1884/85 zur zweiten Berliner Konferenz, auf die die unsäglichen Grenzen zwischen den Kolonien auf Afrikanischem Boden gezogen wurden, welche teilweise bis heute Bestand haben.

Über die Folgen für heutzutage 1,3 Milliarden Afrikanerinnen und Afrikaner machten sich die alten weißen Herren keine Gedanken. Sie wurden zu Opfern europäischer Rivalitäten und Machtkämpfe. Die kolonialen Grenzen durchschnitten Familien- und Gesellschaftsstrukturen, trennten Gebiete, die vorher zusammengehörten und brachten teilweise Feinde in neue gemeinsamen Strukturen unter. Ihnen wurden ihre Kultur geraubt, und ersetzt durch die der Kolonialmächte. Ein großes Fundament für Probleme, die bis in den heutigen Tag bestehen.

Dabei erklärte er bei der Konferenzeröffnung: „Ziel sei es, den Eingeborenen Afrikas den Anschluss an die Zivilisation zu ermöglichen, indem das Innere dieses Kontinents für den Handel erschlossen werde“. Die Sicht der Betroffenen Menschen wurde hier völlig ausgeblendet. Der eigene Nutzen über die Interessen der 1,3 Milliarden Menschen gestellt, die bei der Konferenz keine Stimme hatten.

Sie hatten keine Stimme, weil sie als „unzivilisierte“ und „Wilde“ und „faule“ abgestempelt wurden, weil ihr Leben aus Sicht der Imperialisten, aus Sicht von Bismarck nichts Wert war. 1885.

Dieser in der Gesellschaft verankerte Rassismus wirkt bis in unsere Zeit und er wird immer stärker. Er überträgt sich. Wenn manche über „kriminelle Ausländer“ reden, bedienen sie dieses falsche Narrativ. Wenn Menschen über Unworte wie „Flüchtlingswellen“ reden, bedienen sie dieses Narrativ, die Angst vor dem anders sein, vor den anderen.

Bismark ist dahingehend Vorbild für Menschen von heute, die wir in Darmstadt nicht wollen. Mit seiner Pickelhaube steht er hier, die wie nichts anderes für Militarismus und damit Herrschaft über andere steht.

Wenn Menschen heute entscheiden, dass zehntausende Menschen unter unwürdigen Bedingungen in Camp Moria verweilen müssen, obwohl mehrere Bundesländer gesagt haben – sie haben Platz – dann ist das in dieser Tradition. Die eigenen Interessen über Solidarität und Menschlichkeit stellen.

Der Kolonialismus setzt sich fort: wo früher mit Waffengewalt Land erobert wurde, unterliegen Menschen heute kapitalistischen Zwängen. Ob gesundheitsgefährdender Kobalt-Abbau oder Schrott-Trennung oder die Arbeit in Fabriken zu menschenunwürdigen Bedingungen. Damit wir mit Fast Fashion, Autos, Handies und anderen Statussymbolen herumlaufen können.

Die Reichskriegsflagge auf der anderen Seite wird heute vor allem von Nazis als Ersatz für Hakenkreuzflaggen verwendet, weil diese verboten sind, und steht damit genau so symbolisch für die Schreckensherschafft der Nationalsozialisten und dem Holocaust wie das Hakenkreuz an sich.

Sie steht in Konsequenz für die rassistischen Morde an

Ferhat Unvar
Mercedes Kierpacz
Sedat Gürbüz
Gökhan Gültekin
Hamza Kurtović
Kaloyan Velkov
Vili Viorel Păun
Said Nesar Hashemi
Fatih Saraçoğlu

Rassismus ist allgegenwärtig. Hier steht er, personifiziert, mit Pickelhaube. Unwidersprochen.

Es gibt hier 3 Schilder, die potentiell auf die rassistische Vergangenheit von Bismarck hinweisen könnten: zweimal “Kein Trinkwasser” und einmal “Sponsoren der Restaurierung von 2012”. 2012 und kein kritisches Wort, nach wie vor unwidersprochen.

Die Stadt muss sich endlich kritisch mit Denkmälern von Rassisten und Kolonialisten auseinandersetzen!

Und so einfach könnte es gehen.

<Schild vor die Bismarckstatue stellen>

In Darmstadt Gibt es keinen Platz für Rassismus!

Dieses Schild hier wird’s nicht richten. Den feigen rassistischen Angriff von letzter Woche Mittwoch hier am Luisenplatz kann so ein Schild nicht verhindern.
Ich weiß nicht, ob’s das richten würde, wenn wir es auf jedes Haus und jeden Bus in ganz Darmstadt plakatieren würden. Fakt ist: wir müssen aufstehen, wir müssen aufstehen, bevor das Feuer zu groß wird und wir es nicht mehr löschen können.

In Darmstadt darf kein Platz für Nazis, kein Platz für Rassisten sein.

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